Ein fortgeschrittenes Level der digitalen Transformation in Unternehmen erfordert die übergreifende Automatisierung von Geschäftsprozessen, über mehrere Wertschöpfungsbereiche hinweg. Soll das gelingen, müssen Geschäftsprozesse anhand von technologischen Standards konzipiert, sowie durch durch diese angeglichen, optimiert und verknüpft werden. Dieses Anliegen greift oft in fest verankerte, sicher funktionierende Abläufe in Unternehmen ein, bzw. ersetzt diese. Experten, die in den “bisherigen” Prozessen arbeiten und für Arbeitsergebnisse in diesen Prozessen verantwortlich sind, werden in der Regel eingeladen, gemeinsam mit weiteren Experten, einen wesentlichen konzeptionellen Beitrag für die Transformation der Prozesse zu leisten. Ihr Fachwissen ist notwendig, um die Leistungsfähigkeit der Prozesse und die erforderlichen Prozessergebnisse sicherzustellen. In der Praxis zeigt sich, dass das Fachwissen in neue technologische Kontexte übersetzt und in seiner Anwendung in neue Prozesswege eingebracht werden muss. Das ist kein trivialer Denkprozess, sondern mitunter ein iterativer Suchprozess nach komplexitätsreduzierenden technologischen Verknüpfungen. Als Change-Manager in Digitalisierungsvorhaben bin ich immer wieder eingeladen diversen Fachteams methodische Unterstützung auf dem Weg zum transformativen Denken, hin in eine neue Prozesswelt, zu geben. Hier habe ich den Weg zu gemeinsamen Standards etwas genauer unter die Lupe genommen und insbesondere aus der Perspektive der Beteiligten Einblicke in diese neue Art der übergreifenden Lösungsgestaltung geben.
Warum gemeinsamen Standards eine gute Investition in die Zukunft sind
Am Anfang steht das Herausarbeiten des Warum. Es steht für das klare Verständnis zur Bedeutung der anstehenden Transformation und gibt den Teams und ihrer Arbeit einen echten Sinn. Es ist relativ einfach die Antworten für das Warum vorzugeben. Um die Motivation bei den zu beteiligenden Mitarbeiter*innen einzubeziehen ist es allerdings notwendig das Warum gemeinsam mit ihnen und für deren Kontext zu definieren. Denn erst wenn das Warum klar ist, fällt das wie auf einen bereiten Boden.
An dieser Stelle möchte ich ein paar gesammelte, und für diesen Artikel abstrahierte Warum’s, anführen. Projektbeteiligte erläuterten ihre Motivation für Standards mir diesen Argumenten:
- Standards sind die Grundlage für wirtschaftlichen Fortschritt: Durch die Definition von Prozess-Standards können Unternehmen effektiver in den IT-Betrieb investieren. Von den Investitionen profitieren viele Stellen im Unternehmen gleichermaßen.
- Standards bieten die Chance, Ballast zurückzulassen: Über die Jahre werden Daten, Strukturen und Anwendungen in den Systemen angesammelt. Manches wird möglicherweise so gar nicht mehr gebraucht. Indem Prozesse harmonisiert, automatisiert und in medienbruchfreie Standardabläufe überführt werden, kann überkommener Ballast abgeworfen werden. Das bedeutet für die Beteiligten jedoch auch, manch alte Gewissheiten und Gewohnheiten loszulassen.
- Standards fördern eine Kultur des Miteinander: Durch gemeinsame Ziele, die in der Phase der Entwicklung von Standards handlungsleitend sind, beginnen die Beteiligten während der Designphase, Arbeitsabläufe neu zu denken. Miteinander erweitern sie ihren Blick und lernen mit- und voneinander. Kompetenzen verbinden sich und finden zusammen. Dieses übergreifende Miteinander motiviert. Es macht uns schlauer, besser und offener.
- Standards erzeugen Qualität, Prozesssicherheit und Transparenz: Mit gemeinsamen Standards werden abgestimmte Routinen geschaffen. Für alle Beteiligten entsteht Transparenz und Prozess-Sicherheit. So können wir einfacher zusammenarbeiten und fundierte Entscheidungen treffen. Nicht zuletzt sind wir in der Lage, die sich immer wieder verändernden regulatorischen Anforderungen sicher und schnell umzusetzen.
- Standards ermöglichen attraktive Arbeitsplätze auf der Höhe der Zeit: Die digitalen Arbeitsplätze werden moderner, einfacher und sicherer. Die Anwender sollen zukünftig eigenständiger und flexibler arbeiten können. Dabei spielen die vereinfachten Layouts auf der Benutzeroberfläche eine wichtige Rolle. Klar ist: Fachwissen bleibt für einen Teil der Belegschaft dennoch Trumpf. Es wird sogar noch wichtiger. Schließlich muss gerade im Falle von Fehlern nachvollzogen werden, was im System warum passiert.
Der Weg zu standardisierten Prozessen ist kein Selbstläufer
Anforderungen und Lösungsmöglichkeiten für übergreifende und standardisierte Prozesse werden immer aus verschiedenen Perspektiven definiert. Sonst werden sie im Ergebnis nicht vollständig sein. Dieser multiperspektivische Vorgang erfordert die Einbindung aller relevanten Perspektiven in Form von Wissensträger*innen. Dieser Akt der Einbindung führt zunächst zu einer Vielzahl an Informationen die berücksichtigt werden wollen und zu einer anwachsenden Komplexität in der Kommunikation. Alle Meinungen sollen gehört, unterschiedlichste Praktiken durchleuchtet und vielfältige Bedarfe müssen bedacht werden. Die Beteiligte*n können dabei schon mal den Eindruck bekommen, dass ihnen die Vielzahl der Informationen über den Kopf wachsen. Und so wirklich kann man sich zu Beginn auch nicht vorstellen, wie aus einem anfänglichen Potpourri an Informationen etwas Gemeinsames werden kann, das zudem noch einfach funktionieren wird. Was am Ende als Lösung einfach und logisch aussieht, beinhaltet in der Regel eine ganze Menge Arbeit, die in einem prozesshaften Geschehen organisiert wird. Grob gesagt: Der Weg zum funktionierenden Lösungen unter Einbeziehung technologischer Standards untergliedert sich in zwei Phasen. Diese müssen, idealerweise unterstützt durch moderatives Geschick, gestaltet und durchlaufen werden.