Artikel — 02. Juli 2025

Nach dem Change ist vor dem Change? - Warum S/4HANA-Projekte weit mehr bewegen, als nur Ihre Systeme: Strukturen, Prozesse - und Menschen

Change-Vorhaben werfen mit Abschluss der "offiziellen Veränderungsphase" diverse Hürden auf, deren Ursprung meist schon in der Planung und dem Aufsetzen des Projekts liegen. Die Frage, wie der Übergang gestaltet werden soll - und wie die Akteure im Change nach dem Change diesen weiter konsolidieren, kann die nachhaltige Verankerung des Change stören und ihn sogar rückgängig machen oder scheitern lassen.   

In den S/4HANA-Transformationsprojekten, die ich in den letzten Jahren begleitet habe, zeigte sich wie ein wiederkehrendes Muster: Die eigentliche Veränderung findet im System statt UND im Unternehmen statt. Vor allem: in den Menschen.

Projektmitarbeitende – oft aus Fachbereichen, IT oder Projektsteuerung – wachsen in Transformationsprojekten weit über ihre ursprünglichen Rollen hinaus. Sie entwickeln ein unternehmensweites Verständnis von Prozessen, bauen Brücken zwischen Bereichen, verstehen sowohl technologische Logiken als auch operative Realitäten. Sie werden zu Architekt*innen des Wandels.

Was danach folgt, wird oft nicht zu Ende gedacht

Wenn das System live geht, ist das Projekt offiziell abgeschlossen. Die Meilensteine sind erreicht – doch für viele Projektmitarbeitende beginnt jetzt eine Phase der Ungewissheit. Denn vielerorts stellt sich dieselbe Frage: Was passiert mit diesen Menschen – nach dem Projekt?

Nicht selten lautet die Antwort: Rückkehr in die alte Rolle. Fachspezialist:in, Teamleitung, Sachbearbeitung, IT-Operations.

Rollen, die wichtig sind – aber nicht mehr zu dem passen, was sich während des Projekts entwickelt hat. Denn über die Projektlaufzeit ist etwas Neues entstanden: Menschen mit strategischem Weitblick. Mit integriertem Denken. Mit Leadership-Qualitäten – auch ohne disziplinarische Funktion.

In meiner Arbeit als Change Architekt höre ich dann immer wieder:

„Ich kann mir nicht vorstellen, einfach in meine alte Rolle zurückzukehren.“
„Ich habe das Gefühl, hier wird gerade etwas Wertvolles nicht gesehen.“
„Das Wissen, das wir im Projekt aufgebaut haben, geht gerade verloren.“

Diese Aussagen stehen für ein Phänomen, das viele Unternehmen betrifft – und sie führen zu einer strategischen Frage, die zu selten gestellt wird:  Wie gehen wir mit dem menschlichen Potenzial um, das durch Transformationsprojekte entsteht?

Zwischen Projekt-Dynamik und Linienstruktur – ein unterschätztes Spannungsfeld

Viele dieser Projektmitarbeitenden stehen nach dem Go-Live vor einer Weichenstellung:
Rückkehr in die Linie – aber in welcher Rolle? Mit welcher Verantwortung?

Manche erhalten das Angebot, eine disziplinarische Führungsrolle zu übernehmen. Andere streben nach mehr Wirkung – ohne Führungsverantwortung im klassischen Sinne.

Doch genau hier klafft häufig eine Lücke:

Nicht alle Unternehmen haben Karrierepfade jenseits der Führung etabliert.
Gleichzeitig fühlen sich viele überqualifiziert für ihre alte Rolle, aber nicht gesehen oder vorbereitet für eine neue.
Das Ergebnis: Frustration, Orientierungsverlust – oder stille Abwanderung.

Dabei liegt hier eine große Chance: Neue Rollen zu schaffen, die nicht Hierarchie, sondern Wirkung ins Zentrum stellen. Etwa als Prozessverantwortliche, Digitalisierungspartner*innen oder Business-IT-Strateg*innen.

Aus Projektenergie wird Unternehmensenergie – wenn man es zulässt

Damit das gelingt, braucht es gezielte Strukturen und Entscheidungen. Aus meiner Arbeit heraus sehe ich folgende wirkungsvolle Ansätze:

  • Rollen schaffen, die das gewachsene Potenzial abbilden: Prozessowner, CoEs, Digital Leads
  • Wissen institutionalisieren, z. B. durch interne Beratungsfunktionen, Mentoring oder Communities of Practice
  • Kompetenzen systematisch analysieren und sichtbar machen – damit Stärken gezielt eingesetzt und entwickelt werden können
  • Karrierepfade auch jenseits der Führung ermöglichen – mit Sichtbarkeit und Entwicklungsspielraum
  • Wertschätzung aktiv zeigen: Verantwortung übertragen, Potenziale sichtbar machen
  • Erfahrungswissen sichern, nicht nur technisch, sondern auch kulturell (z. B. durch Storytelling oder Lessons Learned)
  • Kompetenzen analysieren
  • Retentionskonzepte überdenken, bevor sich Motivation in Frust verwandelt

Mein Fazit als Change Architekt

In Transformationsprojekten entstehen nicht nur Systeme.
Es entstehen Menschen mit Weitblick, Verantwortung und Gestaltungskraft.
Wer ihnen keine Zukunft gibt, verliert genau das, was Wandel möglich gemacht hat.

Anschlussfragen

·      Welche Erfahrungen haben Sie gemacht – in S/4HANA-Projekten oder darüber hinaus?

·      Gibt es bei Ihnen Strukturen, um Projektpotenzial langfristig zu sichern?

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